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Die Wert und tonminderten Schäden alter Instrumente


Nicht alle Meisterwerke der grossen italienischen, deutschen oder auch bömischen Geigenbaukunst sind im Originalzustand erhalten. Die heute festzustellenden Schäden können sowohl eine Beeinträchtigung des ehemals grossen und unbehinderten Tons als auch eine Minderung des Kunst- und damit des Sachwertes bedeuten.


Wertmindernd sind:
 
1. Lackretuschen, Ueberlackierungen, absichtlich gesetzte Lackschäden, neue Lackierungen: sie bedeuten Minderungen eventuell bis zur Hälte des Ausgangswertes;

2. fremde Teile (Schnecke, Boden, Decke, Zargen);

3. Stimmrisse (d.heisst, Risse die im Verlauf von Stimmstock oder Bassbalken durch Decke oder Boden laufen) und andere Beschädigungen der klingenden Teile von Decke und Boden;

4. sog. Futter, das sind nachträgliche Verstärkungen von Boden und/oder Decke, weil letztere infolge des sog. späteren Ausschachtelns zu dünn geworden waren;

5. Verdünnungen von Boden und Decke (ohne Futter). Da eine dünnere Decke den Ton leichter ansprechen lässt, sind bei vielen Instrumenten im Laufe der Jahrhunderte die originalen Holzstärken reduziert  (ausgeschachtelt) worden.


Nicht wertmindernd sind:
 
1. neue Hälse (sog. Anschäfter)

2. neuer Stimmstock, neuer (längerer) Bassbalken und neuer Steg. Ferner auch nicht, kleinste Klötze und streifenartige Verklebungen im Inneren von Boden und Decke.

3. zugebuchste und neugesetzte Wirbellöcher.


Nicht tonmindert sind:
 
1. Lackretuschen, wenn sie gut und dezent durchgeführt sind, andere Schnecken, z.T. auch andere Zargen (dagegen sind andere Böden und Decken stets auch tonmindernd), zugebuchste Wirbellöcher, Stimmrisse, wenn sie gut geleimt und auch handwerklich hervorragend repariert sind;

2. Futter, wenn sie aus gutem Holz gefertig und in der richtigen Stärke an zu schwachen Stellen eingefügt sind;

3. neue Hälse, neue Stimmstöcke, Bassbalken, Stege, kleinste Klötze und geschickt angebrachte notwendige Verklebungen.


Diese wenn auch umständliche, so doch unentbehrliche Analyse sollte zeigen, dass die wertmindernden Eigenschaften eines alten Streichinstrumentes keineswegs solche der Minderung der Tonqualität sein müssen, Daraus wiederum ergibt sich, dass die Vorzüge der Meisterinstrumente der italienischen / deutschen oder bömischen Geigenbaukunst für das Auge und das Ohr nicht immer übereinstimmen und durchaus verschiedene Kriterien haben können.



Die Teile der GeigeAnschäfter

Wenn der Griff des Halses eines Instrumentes erneuert werden muss, bezeichnet man im Geigenbau diesen Reparaturvorgang Anschäfter, da hier der Wirbelkasten mit Schnecke angeschäftet wird.
Gründe für diese aufwändige Reparatur können vielfältig sein, meistens ist eine Bruch des Halses der Grund, aber auch eine zu lange oder zu kurze Mensur des Halses können Ursache für einen Anschäfter sein. Für die Reparatur wird eine Ausschnitt in den Wirbelkasten eingearbeitet, in den ein Stück abgelagerter Ahorn mit höchster Passgenauigkeit eingearbeitet wird.

Bild eines eingepassten Anschäfters bei einer Geige


Ausbuchser

Wenn die Wirbel eines Instrumentes nicht mehr gut laufen und die Wirbellöcher im Laufe der Zeit zu groß geworden sind, müssen die Wirbellöcher zugesetzt oder ausgebuchst werden. Dazu werden die Löcher konisch aufgedreht, bis eine runde Lauffläche entstanden ist. In diese sauberen Löcher werden dann sehr sorgfältig und passgenau Hölzer aus Ahorn oder auch Buchbaum eingepasst und eingeleimt. Die entstandene Fläche wird dem Wirbelkasten genau angeglichen und retuschiert. Jetzt werden neue, vom Durchmesser kleinere Löcher gebohrt, konisch aufgedreht und die vorhandenen oder neue Wirbel eingepasst. Je dünner der Wirbel ist, desto feiner lässt sich damit stimmen.

Ausbuchser bei der Anschäfterreparatur

Auf diesem Bild von Geigenbauonline können Sie einen Ausbucher erkennen, der bei einer Anschäfter Reparatur im Geigenbau Verwendung findet
Ausgebuchstes Wirbelloch bei einem Anschäfter

Baßbalken

Um den Druck des Steges abzufangen und um die Schwingungen gleichmäßig auf die Decke zu verteilen, wird an der Decke von innen ungefähr unterhalb der tiefen Saite eine Verstärkung aus Fichtenholz angebracht, der sogenannte Baßbalken. Er muss sehr präzise angepasst sein. Seine Position und Ausführung ist sehr wichtig für den Klang eines Instrumentes.

eingepasster Baßbalken bei einer Viola Geigenbau H.-H.Uilderks
eingepasster, aber noch nicht verputzter Baßbalken bei einer Bratsche
Foto zeigt den gleichen Baßbalken, aber verputzt
der verputzte Baßbalken

Eckklotz

Beim Geigenbau werden die Zargen an ihren Zusammenschlüssen an ihrer Form angepassten Klötze angeleimt. Die Klötze an den Mittelbügeln eines Instrumentes nennt man Eckklötze. Es gibt davon 4 Stück, an den oberen Ecken und an den unteren Ecken des Instrumentes. Als Holz wird Fichte, Linde, Zeder oder auch Weide verwendet.


Einlage

Die Streichinstrumente erhalten in der Regel in Decke und Boden eine parallel zum Umriss verlaufenden mehrspänige Einlage. Sie besteht meistens aus einem hellen und zwei schwarzen Spänen. Diese Späne werden in einen ausgehobenen Graben, dem sogenannten Adergraben eingeleimt und jeweils an den Instrumentenecken zusammengepasst.


F-Löcher

Die Schalllöcher bei Streichinstrumenten werden entsprechend ihrer Ähnlichkeit mit Buchstaben entweder f- oder c- Löcher genannt. Der Grund ist für jeden leicht ersichtlich. Bei allen Instrumenten der Geigenfamilie (= Geige, Bratsche, Cello und Kontrabass) F-Löcher, die der Gambenfamlie C-Löcher. Die Schalllöcher markieren auch das akustische Zentrum der Instrumente. Zwischen ihnen genau mittig wird der Steg aufgestellt. Die F-Löcher unterstreichen diese Markierung noch mit den sogenannten f-Kerben, kleinen Einschnitten jeweils nach innen und aussen zeigend.


Futterleisten

Futterleisten nennen wir im Geigenbau kleine Holzleisten die jeweils von Innen am Zargenkranz an der Boden und Deckenseite angebracht sind. Sie stellen eine Verbreiterung der Leimfläche der Zargen da und geben so der Verbindung von Decke bzw. Boden und Zargen mehr Stabilität. Die Futterleisten oder auch Reifchen genannt werden genau wie die Zargen heiß gebogen und jeweils mit Ausschnitten in den Ober- und Unterklotz sowie in die Eckklötze eingelassen. Zur Zarge hin werden sie flach angeschrägt. Sehr schön sehen kann man diese Reifchen, wenn man durch eines der F-Löcher in das Instrumenteninnere sieht. Auf nachfolgendem Foto sieht man sehr schön die Futterleisten:

Bei diesem Cellozargenkranz kann man sehr gut die Futterleisten oder Reifchen erkennen
Futterleisten / Reifchen bei einem Cellozargenkranz

Hohlkehle

Im Geigenbau wird der Übergang der Wölbung bei Decke und Boden zum Rand hin als Hohlkehle bezeichnet, weil dort die Wölbung niedriger bzw. dünner als der Rand ist. Hier kommt es dann zu einer Kehle die eine Höhlung aufweist. In der Regel sitzt am tiefsten Punkt der Hohlkehle die Einlage


Jahresringe

Jahresringe haben im Geigenbau die gleiche Bedeutung wie in anderen Handwerken auch. Sie bezeichnen die Jahresringe im Holz. Besonders prägnant sind diese bei der Fichte, die im Geigenbau für die Decken der Geigen verwendet wird.

Detail Viola Da Saló Uilderks

Sehr gut sind hier die verschieden farbigen Jahresringe zu erkennen. Der Baum wächst im Winter langsam bis gar nicht, dies sind die dunklen Jahresringe, die auch sehr hart sind, weich dagegen sind die in der Wachtumsphase gebildeten hellen Sommerjahresringe.

Beim Ahorn ist dies ebenfalls zu beobachten, jedoch sind die Unterschiede sowohl in der Färbung als auch in der Festigkeit weitaus geringer.


 

Deckenmensur

Als Deckenmensur bezeichnet man im Streichinstrumentenbau die Länge vom oberen Deckenrand gemessen bis hin zur Position der inneren f-Loch-Kerben.

Im Idealfall beträgt die Deckenmensur bei einer 4/4 Violine 19,5 cm und bei einem 4/4 Cello 40 cm.

Die Deckenmensur steht zur Halsmensur immer in einem bestimmten Verhältnis, bei Violine & Viola 3:2 (Deckenmensur:Halsmesur) und beim Cello 10:7.